Die Anatomie des Menschen hält noch immer Neues bereit: Schweizer Forscher machten am Kaumuskel eine Schicht aus, die zuvor niemand beschrieben hatte.
Erst ein gutes Jahr ist es her, dass im Nasenrachenraum des Menschen ein Organ erstmals dingfest gemacht werden konnte: Ein Speicheldrüsenpaar von ganzen vier Zentimetern Länge wurde von niederländischen Krebswissenschaftlern damals entdeckt und beschrieben. Auch an dieser Stelle wurde über die kleine Forschungssensation berichtet.
Nun folgt der nächste Paukenschlag im Hinblick auf die Anatomie des menschlichen Schädels: Forscher vom Departement Biomedizin und vom Universitären Zentrum für Zahnmedizin der Universität Basel haben im Massetermuskel – dem Muskel, der beim Aufeinanderbeißen hinten an den Wangen nach außen tritt – eine zuvor unbekannte Schicht entdeckt. Bisher war es gängige Lehrmeinung, dass der Massetermuskel nur aus zwei Schichten besteht, einer oberflächlichen und einer tiefen. Tatsächlich aber gibt es unter letzterer eine noch tiefere Muskelschicht. „Dieser tiefe Anteil des Massetermuskels lässt sich hinsichtlich seines Verlaufs und seiner Funktion klar von den beiden anderen Schichten unterscheiden“, erklärt Studien-Co-Autorin Dr. Szilvia Mezey.
Breiter Forschungsansatz
Zu dieser Erkenntnis gelangten die Basler Forscher mit einem breiten Arsenal an Methoden. Sie sezierten formalin-fixierte Kiefermuskulatur und von Verstorbenen gespendete Gewebeschnitte, analysierten computertomografische Bilder und werteten Magnetresonanztomografien aus. Den Ehrgeiz für diesen Aufwand entwickelten sie maßgeblich aus dem Umstand, dass der Massetermuskel immer wieder Fragen aufgeworfen hatte. So gab es beispielsweise schon früher die Vermutung, es handele sich um drei Muskelschichten, wobei allerdings fälschlicherweise von einem zweigeteilten oberflächlichen Anteil ausgegangen wurde.
„Es ist faszinierend, dass die anatomische Forschung auch im 21. Jahrhundert noch Neuigkeiten im menschlichen Schädel zutage fördert“, kommentiert der Mund-Kiefer-Gesichtschirurg Dr. Igor Stojanovski von der ParkPraxis in Berlin-Friedrichshain die im Fachjournal „Annals of Anatomy“ veröffentlichte Studie. Das dürften auch die Medizinerschaft insgesamt und interessierte Laien ebenso empfinden.