Für Aufsehen sorgte die Meldung niederländischer Forscher, ein bisher unbekanntes Speicheldrüsenpaar ausfindig gemacht zu haben. Einige deutsche Kollegen bezweifeln jedoch, dass die „Tubariusdrüse“ zuvor übersehen worden ist.
Es mutet zunächst unglaublich an: Im Zeitalter der Computertomografien soll den Anatomen bis vor Kurzem ein etwa vier Zentimeter großes Organ im Nasenrachenraum des Menschen entgangen sein – die „Tubariusdrüse“. Mit dieser Nachricht sorgten Forscher des Niederländischen Krebsinstituts (NCI) und der Universität Amsterdam im vergangenen Oktober für einen Paukenschlag in der Wissenschaftswelt. Laut ihrer in „The Green Journal“ veröffentlichten Studie fiel das Speicheldrüsenpaar bei Untersuchungen von Harnröhren- und Prostatakrebspatienten mittels Positronenemissionstomografie auf. Massenmedien weltweit berichteten über die Sensation.
Weniger unglaublich wirkt die Meldung, wenn man weiß, dass diese Region des menschlichen Schädels tatsächlich buchstäblich „unterbelichtet“ ist, da die herkömmlichen Bildgebungsverfahren das Gewirr aus Hunderten Speicheldrüsen nicht adäquat darstellen können. Lediglich im Zuge einer Tumordiagnostik können sie mithilfe eines radioaktiven Markers sichtbar gemacht werden. „Tumoren treten aber im Nasenrachenraum sehr selten auf, daher werden entsprechende radiologische Untersuchungen dort nun in Ausnahmefällen durchgeführt“, erklärt der Mund-Kiefer-Gesichtschirurg Dr. Igor Stojanovski von der ParkPraxis in Berlin-Friedrichshain.
„Schon vor 150 Jahren beschrieben“?
Wasser in den Wein gießen nun Forscher der Universitätsmedizin Jena, Leipzig und Erlangen. Die renommierten Experten für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Anatomie, Nuklearmedizin und Pathologie erklären in einer kürzlich veröffentlichten Stellungnahme, dass es sich bei der „Tubariusdrüse“ tatsächlich um eine Anhäufung kleiner Speicheldrüsen handle, die in der Medizin seit Langem bekannt sei.
„Neben den sechs großen Speicheldrüsen befinden sich Hunderte kleine Speicheldrüsen in der Schleimhaut von Mundraum, Lippen und Rachen. Dass es Ansammlungen von Speicheldrüsen auch im Nasenrachen und in der Nähe der Luftröhre gibt, wurde schon vor 150 Jahren beschrieben“, hebt Erstautor Prof. Dr. Orlando Guntinas-Lichius hervor. Die Stellungnahme trägt dementsprechend den nüchternen Titel „Gibt es eine neue Kopfspeicheldrüse? – Eher nicht!“.
Davon unberührt ist allerdings eine wichtige Erkenntnis der niederländischen Krebsforscher: Das beschriebene Speicheldrüsenpaar kann für Komplikationen wie Mundtrockenheit und Schluckbeschwerden sorgen, wenn es im Zuge einer Krebs-Radiotherapie mit bestrahlt wird. Onkologen sollten diesen Hinweis zugunsten der Lebensqualität der Patienten beherzigen – ob das Organ nun „neu“ ist oder nicht.