Wo sind all die Weisheitszähne hin?

Evolution im Zeitraffertempo: Immer mehr Babys kommen ohne Anlage von Weisheitszähnen zur Welt. Der menschliche Kiefer schrumpft kontinuierlich.

Dass die Evolution niemals ein Ende findet, gilt auch für den Menschen. Für diesen selbst sind die Veränderungen zwar kaum unmittelbar wahrnehmbar, weil sie zu langsam ablaufen und der aktuelle Zustand daher statisch erscheint. Doch es gibt sie, die grundlegenden, vererbten „Updates“ des Menschen.

Schon länger bekannt und zudem augenfällig ist der Größenzuwachs, der sich menschheitsgeschichtlich vor Kurzem deutlich beschleunigt hat: Die Deutschen beispielsweise waren um die letzte Jahrtausendwende im Durchschnitt rund 15 Zentimeter größer als noch 120 Jahre zuvor. Erfahrbar wird dieser Unterschied in alten Gemäuern mit ihren niedrigen Tür- und Raumhöhen. Er geht allerdings nur zum Teil auf genetische Umprogrammierungen zurück, denn auch die bessere Ernährung und generell weniger körperlich belastende Arbeit geben den Ausschlag dafür, dass unser Körper mehr Energie in sein Wachstum investieren kann.

„Mikroevolution“ der Menschheit
Für eine beschleunigte evolutionäre Entwicklung haben nun auch Forscher der Flinders University im australischen Adelaide Belege präsentiert. Ihren im „Journal of Anatomy“ veröffentlichten Erkenntnissen nach durchläuft die Menschheit derzeit eine „Mikroevolution“. In den letzten zweieinhalb Jahrhunderten habe sie sich anatomisch so schnell weiterentwickelt wie nie zuvor.

Wie die vorgenommenen Skelettuntersuchungen zeigen, werden die menschlichen Gesichter immer kürzer. Zudem schrumpft der Kiefer des Menschen. Eine Folge: Weisheitszähne werden bei immer weniger Babys angelegt. Dass es sich bei diesen sogenannten „Achtern“ – den achten Zähnen in jedem Gebissquadranten – um ein Relikt aus früheren menschheitsgeschichtlichen Epochen handelt, ist schon länger Lehrmeinung. Unsere Vorfahren mussten einfach ihre Nahrung überwiegend unverarbeitet zerkauen, was eine höhere Beißkraft erforderte.

Die australischen Forscher stellten fest: Die nunmehr überflüssigen Zähne werden von der Natur konsequent und in evolutionsgeschichtlich hohem Tempo aussortiert. Ein faszinierendes Beispiel für die Anpassungs- und Wandlungsfähigkeit des Menschen.