Wenn Patienten Geheimnisse vor dem Arzt hegen …

… dann kann das den Therapieerfolg beeinträchtigen. Zwei aktuelle Umfragen zeigen, dass dennoch mehr als jeder zweite Patient seinem Arzt schon einmal nicht die ganze Wahrheit gesagt hat.

Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist ebenso bedeutsam wie potenziell störanfällig. Aus welchen Gründen es manchmal nicht so richtig klappt mit dem offenen verbalen Austausch, haben US-Forscher kürzlich in zwei Online-Umfragen (MTurk und SSI) erhoben. Mehr als 5.000 Menschen haben die Fragen anonym beantwortet und damit einen neuartigen Einblick in das Patienten-Kommunikationsverhalten in der Arztpraxis ermöglicht.

Wie sich zeigte, hat die große Mehrheit der Befragten einem Arzt gegenüber schon mindestens einmal eine relevante Information verschwiegen: 61,4 Prozent waren es bei der SSI-Umfrage, deren Teilnehmer im Schnitt 61 Jahre alt waren; 81,1 Prozent sogar bei der MTurk-Umfrage, an der mit einem Durchschnittsalter von 36 Jahren deutlich jüngere Menschen teilnahmen.

Der häufigste Grund (mit 31,4 bzw. 45,7 Prozent) war eine Meinungsverschiedenheit mit dem Behandler, die von den Patienten nicht thematisiert wurde. Danach folgt ein Verständnisproblem: Die Patienten konnten den Instruktionen des Arztes nicht folgen, trauten sich aber nicht, noch einmal nachzufragen (24,3 bzw. 31,8 Prozent).

„Im Zweifel lieber zweimal vergewissern“
Erfahrene Fachärzte wie der Mund-Kiefer-Gesichtschirurg und Implantologe Dr. Igor Stojanovski von der ParkPraxis in Berlin-Friedrichshain kennen das Phänomen, dass Patienten erkennbar ratlos wirken, aber die Frage „Haben Sie das verstanden?“ mit Ja beantworten. „In solchen Fällen erklärt ein guter Arzt das Wesentliche noch einmal mit anderen Worten und möglichst leicht verständlich“, so Dr. Stojanovski, „auf der anderen Seite sollten Patienten aber auch immer bedenken, dass es unerwünschte Folgen haben kann, wenn man ärztliche Instruktionen nicht ausführt. Daher sollte man sich im Zweifel lieber zweimal vergewissern, dass man alles richtig verstanden hat. Das geduldige Erklären gehört zur ärztlichen Kunst.“

Wie die Umfragen weiterhin ergaben, ist es oft die Angst vor Peinlichkeit oder vor ärztlichen Belehrungen, die Patienten schweigen lassen. Das gilt nicht nur für Meinungsverschiedenheiten und Verständnisprobleme, sondern auch für Fragen des Lebensstils, bisweilen auch für eingenommene Medikamente. Dr. Stojanovski rät zur Offenheit: „Wir Mediziner fällen keine Werturteile über Patienten, sondern versuchen ihnen bestmöglich zu helfen. Dazu brauchen wir alle Informationen, die für Diagnose und Therapie Bedeutung haben könnten. Es gibt keinen Grund, Geheimnisse vor dem Arzt zu haben.“