„Abszesswetter“ gibt es tatsächlich

Spielen die Wetterverhältnisse für das akute Auftreten eitriger Abszesse im Mund-, Kiefer- und Gesichtsbereich eine Rolle? Eine neue Studie aus Dresden bejaht dies – bedingt.

Seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden werden verschiedene körperliche Beschwerden mit dem Wetter in Verbindung gebracht. Das gilt auch für Abszesse. Schon lange wird vermutet, dass die Eiteransammlungen unter bestimmten Wetterbedingungen häufiger bzw. verschärft auftreten. Wissenschaftlich konnte ein Einfluss von Temperatur, Luftdruck und -feuchtigkeit jedoch nicht bewiesen werden. Kritische Geister hielten die Idee vom „Abszesswetter“ daher für einen medizinischen Mythos.

Forscher der Dresdner Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus haben diese Zweifler kürzlich widerlegt – zumindest teilweise. Sie analysierten die Daten von rund 1.000 Patienten, die in den Jahren 2005 bis 2015 wegen akut eitriger Abszesse im Mund-, Kiefer- und Gesichtsbereich stationär in der Klinik behandelt worden waren. Erfasst wurden die genaue Position der Abszesse und deren Auslöser. Diese Informationen setzten die Wissenschaftler in Beziehung zu den Wetterdaten, die die Wetterstation Dresden/Klotzsche für den jeweiligen Aufnahmetag und die vorhergehenden Tage registriert hatte.

Ergebnis: Wenn es größere Temperaturänderungen gab, strömten tatsächlich mehr Patienten mit akuten Abszessen in die Dresdner Klinik. Keinen Einfluss auf die Abszess-Häufigkeit hatten dagegen die statischen Wetterwerte. Somit ist der Begriff „Abszesswetter“ zwar ungenau – treffender wäre vielleicht „Abszesswetteränderung“ –, birgt aber doch einen wahren Kern.

Was ist eigentlich ein Abszess?
Ein Abszess ist Eiteransammlung, die sich in einem zuvor nicht vorhandenen Gewebshohlraum bildet und dort eingekapselt wird. Oberflächliche Abszesse werden oft von einer Entzündungsreaktion begleitet. „In aller Regel sind bakterielle Entzündungen für Abszesse verantwortlich“, erklärt der Mund-Kiefer-Gesichtschirurg Dr. Igor Stojanovski von der ParkPraxis in Berlin-Friedrichshain, „in seltenen Fällen können aber auch Fremdkörper oder eine Operation zu einem Abszess führen.“

Besonders gefährlich kann ein Abszess im Gesicht werden, gerade in Augen- und Nasennähe. Denn die Bakterien können von dort am Ende ins Gehirn gelangen, so dass ein lebensbedrohlicher Gehirnabszess die Folge sein kann. Aber auch jeder andere Abszess sollte vorsichtshalber einem Arzt gezeigt werden – von einer Selbstdiagnose und -behandlung ist dringend abzuraten.